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Produktive Nutzung von Energie: Von Pilotprojekten zu dauerhafter Wertschöpfung

Die produktive Nutzung von Energie ist ein Kernelement für steigende Wertschöpfung im ländlichen Afrika. Um diese zu fördern, ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Die gute Nachricht ist: Die Dynamik der produktiven Nutzung von Energie nimmt zu und es gibt für zahlreiche Herausforderungen inzwischen auch Lösungen.

„Mit moderner Energie könnten Afrikanerinnen und Afrikaner Handwerksbetriebe und Unternehmen gründen, ihre Felder bewässern, Gemüse und Früchte trocknen, verarbeiten und so Arbeitsplätze schaffen. Energie ist der Schlüssel zu regionaler Wertschöpfung und höherem Einkommen“, sagt Bärbel Höhn, seit 2017 ehrenamtliche Energiebeauftragte des BMZ für die Grüne Bürgerenergie.

Die Hälfte der in Afrika lebenden Menschen hat jedoch keinen Zugang zu Elektrizität. Dadurch steht steht keine Energie für die produktive Nutzung zur Verfügung, die Voraussetzung für eine stärkere lokale Wertschöpfung ist. Das ist ein ökonomischer Hemmschuh, gerade in ländlichen Regionen, wo die Menschen überwiegend von der Landwirtschaft leben. Ohne Elektrizität können sie ihre Ernten weder selbst verarbeiten noch verderbliche Produkte wie Milch und Früchte kühlen. Aber wie definiert man die produktive Nutzung von Energie (Productive Use of Energy – PUE) überhaupt?

Produktive Nutzung von Energie – das ist damit gemeint

Es existieren unterschiedliche Definitionen. „Wir definieren PUE als jede einkommensschaffende Tätigkeit, bei der mit Hilfe von Elektrizität oder Wärmeenergie Waren produziert oder verarbeitet werden, Dienstleistungen erbracht werden können“, sagt Stefan Eibisch von der Grünen Bürgerenergie (GBE). Für ihn, die GBE und andere Entwicklungsorganisationen ist ein weiterer Aspekt entscheidend. PUE trägt dazu bei, die ländliche Armut zu lindern, einen Mehrwert zu schaffen und den Zugang zu Betriebsmitteln in landwirtschaftlichen und rohstoffproduzierenden Regionen Afrika zu verbessern.

Der Sektor entwickelt sich

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Fortschritte bei der Entwicklung der PUE erzielt worden. Die Weltbank konstatiert, dass sich insbesondere solare Off-Grid-Lösungen rapide verbreitet haben. Davon profitieren sowohl soziale Einrichtungen, die darüber ihre Schulen beleuchten, als auch Gesundheitszentren, die Medikamente und Impfstoffe kühlen können.

Dank diese solaren Off-Grid-Lösungen können auch Bewohner*innen Energie produktiv nutzen, Dienstleistungen anbiete oder Produkte herstellen.

Denn im Gegensatz zu den Solar Home Systemen früherer Jahre können leistungsstarke PV-Anlagen heute deutlich mehr Kilowattstunden generieren und damit auch energieintensivere Geräte antreiben, seien es Getreidemühlen, Solarpumpen oder Maschinen für Handwerksbetriebe und Unternehmen. Sinkende Kosten und technologische Innovationen ermöglichen inzwischen die Substitution von teuren dieselbasierten Motoren, die aufgrund der hohen Treibstoffkosten langfristig teurer sind. Außerdem werden PUE-Produkte dank neuer Finanzierungsmöglichkeiten – Pay-As-You-Go-Modelle oder mobile Gelddienste sind nur zwei von vielen Beispielen – auch für einkommensschwache Nutzerinnen und Nutzer finanzierbar, resümiert eine Studie von Energising Development (EnDev).

Gerade in der wenig mechanisierten Landwirtschaft ist das Potenzial für solche Geräte groß. Sie könnten die Erträge und Einkommen von Landwirten deutlich steigern. Andererseits existieren zahlreiche Barrieren, die die produktive Nutzung in ländlichen oder semi-urbanen Räumen und damit eine lokale Wertschöpfung bremsen und erschweren. Sie unterscheiden sich je nach Region deutlich.

Herausforderungen, Hemmnisse, Hürden

Da sind zum einen die geographischen Herausforderungen – sowohl für die Bereitstellung von Energie als auch den Vertrieb und die Wartung von PUE-Geräten. Beispiel Namibia: Mehr als zweimal so groß wie Deutschland leben in dem südafrikanischen Land nur 2,53 Millionen Menschen; viele in dünnbesiedelten Gebieten. Sie zu elektrifizieren ist trotz guter Off-Grid-Lösungen auf der Basis erneuerbarer Energien eine Herkulesaufgabe.

Der Vertrieb von PUE-Geräten in ländlichen Regionen stellt wiederum Hersteller und Lieferanten vor logistische Hürden. Dünn besiedelte Regionen zu erschließen ist häufig wenig lukrativ, zumal die Kaufkraft der dort lebenden Menschen deutlich geringer ist als in urbanen Räumen. Entsprechend häufig klagen Menschen und Unternehmen in ländlichen Gebieten, „dass sie nur begrenzten Zugang zu Maschinen, Werkzeugen und Geräten haben“, so eine Studie von GET.transform.

Hinzukommt, die Investitionskosten für PUE-Geräte liegen im Vergleich zu auf Diesel basierenden Lösungen deutlich höher. „Das liegt auch daran, dass viele dieser Geräte noch nicht marktreif sind, um sie kommerziell skalieren zu können“, schreibt die Weltbank. Erst dann dürften – wie bei Solar Home Systemen oder PV-Modulen – die Preise deutlich sinken.

Der Preis für PUE-Geräte ist nur ein Faktor, die Finanzierung der Investitionen ein anderer.

Der fehlende oder schwierige Zugang zu einer Finanzierung bremst sowohl die potenziellen Käuferinnen und Käufer von PUE-Produkten als auch Händler und Erzeuger, die zum Beispiel neue Märkte erschließen wollen.

Alle Investitionen in PUE-Geräte werden aber keine Wertschöpfung generieren, wenn es für die Produkte keine Käufer*innen gibt. „Voraussetzung für eine wirtschaftliche Entwicklung ist, dass ein lokaler, regionaler oder internationaler Markt für ihre Produkte besteht und dieser auch erreicht werden kann“, sagt Carsten Hellpap, langjähriger Leiter von EnDev. Zudem müssen die Nutzer*innen die Geräte bedienen und finanzieren können.

Trotz dieser Hürden dynamisiert sich der PUE-Sektor in vielen afrikanischen Ländern.

Die Nachfrageseite in den Blick nehmen

Entwicklungsorganisationen und staatliche Agenturen können die Dynamisierung des PUE-Sektors mit vielen Interventionen beeinflussen. Eine Erkenntnis der vergangenen Jahre ist: Es reicht nicht aus, sich alleine auf die Versorgung von Energie zu konzentrieren. Denn diese führt nicht automatisch zu mehr Wertschöpfung und Einkommen. Diese Analyse macht einen Paradigmenwechsel notwendig: „Strategisch gesehen war es gängige Praxis, die nachhaltige Elektrifizierung als Ziel von Maßnahmen zur produktiven Nutzung zu betrachten, während in Wirklichkeit die wirtschaftliche Aktivität das Ziel der Elektrifizierung sein sollte“, argumentiert die Studie von GET.transform.

Grüne Bürgerenergie für Afrika – viele Ansätze führen ans Ziel

Die Grüne Bürgerenergie (GBE) arbeitet mit ihren unterschiedlichen Partnern an vielen dieser Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich der Ausbildung, der Finanzierung oder der Vermittlung von Wissen an potenzielle Unternehmerinnen und Entrepreneure. In Sambia beispielsweise hat die GBE mit ihren Partnern Lehrpläne für solare Energielösungen entwickelt, in Ghana 150 Technikerinnen und Techniker, Finanzberaterinnen und Finanzberater, Installateure im Themenfeld solare Bewässerung geschult. Um die Finanzierung von PUE-Produkten im Senegal zu erleichtern, hat GBE in einem dreitägigen Sensibilisierungs-Workshop 80 Finanzinstitute, Regierungsbehörden und Projektentwickler über bessere Finanzierungsmöglichkeiten von erneuerbaren Energieprojekten informiert und mit ihnen Lösungen diskutiert. In Benin hat die GBE zehn agrarische Mikrofinanzinstitutionen eingeladen und sie über die Potenziale der Erneuerbaren informiert.

In Uganda hat die GBE in 25 Dörfern 150 angehende Geschäftsleute und ihre Geschäftsideen ausgesucht, diese geschult und über einen längeren Zeitraum gecoacht sie bei ihrem Start.

Dort ist das GBE-Engagement Teil des PREEEP-Projekts von BMZ und dem ugandischen Ministry of Energy and Mineral Development, das in diesen 25 Dörfern den Betrieb von 25 Mini-Grids zur Stromversorgung unterstützt. Es ist ein gutes Beispiel, wie man mit zahlreichen parallelen Maßnahmen nicht nur eine nachhaltige Energieversorgung sichern, sondern gleichzeitig lokale Wertschöpfung generieren will. Denn nachhaltig kann ein Versorger sein Mini-Grid nur betreiben, wenn er auch große Stromabnehmer beliefern und mit dem Betrieb auch Gewinne erwirtschaften kann.

Ausblick

Das umfangreiche PREEP-Programm ist eine Antwort auf die komplexen Herausforderungen, denen sich Regierungen, Entwicklungsorganisationen, Unternehmen und die Menschen vor Ort bei der Entwicklung ländlicher Regionen gegenübersehen.

Wer lokale Wertschöpfung schaffen will, muss eine Marktanalyse und Vermarktungskanäle in den Blick nehmen, genauso die Grundlagen für bessere und passgenauere Finanzierungsmöglichkeiten. Ein Markt für PUE-Produkte kann sich entwickeln, wo Regierungen förderliche Rahmenbedingungen schaffen. Indirekte Subventionen, um das Risiko von Herstellern, Händlern und Dienstleistern zu reduzieren, können helfen, ländliche Regionen zu erschließen, ohne die Verbraucherpreise zu verzerren.

Erfreulich ist, dass trotz der Herausforderungen immer mehr privatwirtschaftliche Akteure in den PUE-Sektor drängen und auch neue Nutzer- und Angebotsmodelle entstehen. Manche der PUE-Produkte – allen voran die solare Bewässerung – haben inzwischen ihre Marktreife erreicht und setzen sich gegenüber dieselbetriebenen Pumpen durch. Im landwirtschaftlichen Bereich gibt es außerdem einen Trend, Geräte eher zu mieten oder Dienstleistungen auf Zeit zu erwerben als diese selbst zu kaufen. Daraus entwickeln sich für Hersteller und Lieferanten neue Geschäftsmodelle. Natürlich gibt es noch viel zu tun. Dies braucht den Blick auf die erreichten Zwischenziele aber nicht trüben.