Energiewende in Afrika: Wie Menschen und lokale Unternehmen das Steuer übernehmen – BETD 2023 Partner Event
Am 27. März lud das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nach Berlin ein. Auf dem Partnerevent des Berlin Energy Transition Dialogue „Decentralized Renewable Energy in Africa – Key to a global energy transition“ diskutierten über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über Ansätze und Erfolge, wie alle Menschen in Afrika Zugang zu moderner Energie erhalten können.
Noch immer haben 600 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, 40 Prozent der Bevölkerung, keinen Zugang zu moderner Energie. In ländlichen Gebieten Afrikas können nur 25 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner auf Elektrizität zurückgreifen. Moderne Energie ist jedoch eine Voraussetzung, wenn Menschen ihre Landwirtschaft professionalisieren, Dienstleistungen anbieten und lokale Wertschöpfung fördern wollen.
Mit der Agenda 2030 hat die Weltgemeinschaft in Sachen Energieversorgung (SDG 7) ein klares Ziel formuliert: Alle Menschen sollen demnach Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher und moderner Energie haben. „Die Versorgung mit nachhaltiger Energie ist der Schlüssel für Entwicklung“, sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMZ, gleich zu Anfang der Konferenz „Decentralized Renewable Energy in Africa – Key to a global energy transition“. „Denn jedes Jahr müssen in Afrika 20 bis 25 Millionen Arbeitsplätze für junge Menschen geschaffen werden, um der jungen Bevölkerung auch eine Perspektive bieten zu können“, ergänzte er.
Die Konferenz hatte die Grüne Bürgerenergie (GBE) als Partnerevent des Berlin Energy Transition Dialogue (BETD) 2023 organisiert. Trotz des Streiks bei Bahn, öffentlichem Nahverkehr und an Flughäfen diskutierten über 100 Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bundestag sowie von Botschaften, Forschungsinstituten, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen über Potenziale, Herausforderungen und Lösungen für die dezentralen Energieversorgung in Sub-Sahara-Afrika. Die Konferenz setzte dabei zwei Schwerpunkte: Zum einen auf die Chancen von autonomen Systemen für die dezentrale Energieversorgung wie Solar Home Systeme (SHS) oder solare Bewässerungsanlagen, zum anderen auf Mini-Grids und deren Finanzierung.
Große Potenziale – enorme Investitionen
Die gute Nachricht ist: „Afrika hat ein riesiges Potenzial für die Nutzung von erneuerbaren Energien“, erklärte Jochen Flasbarth. „Gleichzeitig hat der Kontinent einen riesigen Energie- und Strombedarf“, fügte er hinzu. Dafür sind riesige Investitionen notwendig. Die Menschen ohne Energiezugang zu belassen, ist keine Option. „Energie ist nicht nur ein SDG-Ziel. Es ist auch ein Instrument, um die meisten anderen Ziele erreichen zu können“, sagte Bärbel Höhn, Energiebeauftragte des BMZ in ihrer Keynote. Schließlich liefert Energie die Grundlage, um zusätzliche Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen und darüber Hunger und Armut zu reduzieren. Energie ermöglicht außerdem eine bessere Bildung, bessere Gesundheitsversorgung und kann vor allem auch das Leben von Frauen auf viele Weisen verbessern.
Vor diesem Hintergrund fördert das BMZ multilaterale und globale Projekte, wie die Multi-Geber-Partnerschaft Energising Development (EnDev) sowie die Grüne Bürgerenergie, die dezentrale Bürgerprojekte und die notwendigen Rahmenbedingungen – Ausbildung, Finanzierung, Lieferketten – fördern, damit Menschen erneuerbare Energie Technologien selbst erwerben und nutzen können. In diesem Sinne betonte Thorsten Schäfer-Gümbel, der Vorstandssprecher der GIZ: “Das größte Potenzial für den Übergang in Afrika liegt in den afrikanischen Menschen und ihren Gemeinden.“
Die afrikanische Perspektive
Allerdings sind die Herausforderungen, vor denen afrikanische Länder und ihre Regierungen stehen aus mehreren Gründen gewaltig. Für Uganda beschrieb die Staatssekretärin im Ministerium für Energie und Rohstoffe, Irene Pauline Batebe, die Lage sehr plastisch: „Wenn wir unseren Strombedarf bis 2040 decken wollen, müssen wir unsere Erzeugungskapazitäten auf über 50.000 Megawatt Leistung erhöhen“. Genauso herausfordernd sei das Ziel, jedes Jahr bis zu 300.000 zusätzliche Anschlüsse ans Stromnetz oder Mini Grids zu ermöglichen. Damit diese Investitionen aber auch nachhaltig blieben, Solar Home Systeme (SHS), PV-Anlagen oder Mini-Grids dauerhaft Strom lieferten, sei die Wartung der Anlagen entscheidend. „Dafür fehlen in unserem Land nach wie vor Technikerinnen und Techniker“sagte sie. Die Folgen der mangelnden Wartung seien verheerend, weil 50 Prozent zum Beispiel der SHS von öffentlichen Einrichtungen außer Betrieb seien. “Im Bereich Aus- und Fortbildung unterstützen uns GIZ-Vorhaben wie die Grüne Bürgerenergie“, fügte sie hinzu.
Sowohl Uganda als auch Kenia haben sich große Ziele gesetzt, um den Energiezugang für alle Bürgerinnen und Bürger bis 2030 zu schaffen. Dafür benötigen die Länder aber auch gewaltige Finanzmittel. Für Kenia beschrieb Isaac Kiva, Sekretär für erneuerbare Energien im kenianischen Ministerium für Energie und Petroleum, die Ausgangslage. Im Rahmen ihrer 2018 beschlossenen kenianischen Elektrifizierungsstrategie ginge die Regierung von etwa 4,5 Millionen zu installierenden Anschlüssen aus. „Wir benötigten zur Umsetzung 2,7 Milliarden US-Dollar, die wir natürlich nicht auf einmal aufbringen konnten“.
Tatsache ist, dass trotz der großen Potenziale in Afrika zu wenig Investitionen zufließen, kritisierte Irene Pauline Batebe: „Nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien fließen nach Afrika.“ Hinzukommt, die Vielzahl von Partnern und die damit verbundene Herausforderung, diese Mittel zu koordinieren. Genauso herausfordernd sind Anträge für manche Finanzinstrumente, wie den Green Climate Fund. „Für mich scheint es so, dass dieser Fond sehr kompliziert ist, was dazu führt, dass viele Länder nicht in der Lage sind, Mittel aus dem Fond zu beantragen“, sagte Bärbel Höhn. Es erhielten nur Länder Zugang zu den Finanzmitteln, die diesen bürokratischen Aufwand betreiben könnten. „Hier müssen wir den kleineren Ländern helfen“, ergänzte sie.
Dezentrale erneuerbare Energien: ein Entwicklungskatalysator für lokale Unternehmer
Nach der zweiten Gesprächsrunde standen zwei Panel-Diskussionen auf der Tagesordnung. Die erste widmete sich den Potenzialen der erneuerbaren Energien für die produktive Nutzung der Energie. Die SGA-Farm von Bobby Gyesi in Ghana ist dafür ein gutes Beispiel. Mit Unterstützung der Grünen Bürgerenergie konnte das Familienunternehmen die Tröpfchenbewässerung auf solarer Basis einrichten. „Mit diesem System können wir unsere Felder das ganze Jahr über bewässern, ohne dass wir dabei einen CO2-Abdruck hinterlassen“, sagte Bobby Gyesi. Fünf direkte und 20 indirekte Jobs sind darüber im Dorf entstanden. Während sein Unternehmen Dank der produktiven Nutzung prosperiert, kritisiert er die fehlende Geschwindigkeit beim Ausrollen solarer Technologien. „Das liegt weniger an unserer technischen Expertise, sondern vielmehr am Zugang zu Finanzierung“, sagte er.
EnDev-Leiter Alexander Haack stimmte Bobby Gyesi in diesem Punkt zu. „Der Zugang zu Finanzmitteln ist wahrscheinlich einer der größten Engpässe“, sagte er. Doch die Risiken von Anbietern und Banken könne man nicht einfach negieren. Eine Herausforderung dabei ist, dass viele lokalen Banken in afrikanischen Ländern das Risiko der Finanzierung scheuen. Thomas Duveau vom Access to Energy Institute benannte das Problem am Beispiel lokaler nigerianischer Banken. „Eine lokale Bank vergibt die meisten Kredite risikofrei an regionale Regierungsinstitutionen und verdient gut daran. Ländlichen Unternehmen gegenüber begegnen Banker hingegen häufig arrogant und bieten nur überteuerte Kredite an, die jedes Geschäftsmodell zunichtemachen“, kritisierte er.
Was also tun? Sowohl Regierungen, Investoren und Unternehmen als auch potenzielle Nutzerinnen und Nutzer der Erneuerbaren sehen sich bei der Finanzierung zahlreichen Barrieren gegenüber. „Unsere Analyse für Benin ergab, dass viele möglichen Nutzer und Nutzerinnen, aber auch Banken und Mikrofinanzinstitute wenig über die Potenziale von erneuerbaren Energielösungen wissen“, sagte Razvan Sandru, Leiter der Grünen Bürgerenergie im Benin. Gleichzeitig sei es für Anbieter von Solarsystemen riskant, ländliche Märkte zu erschließen.
„Ich sehe unsere Rolle darin, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu stärken, um damit den Markt für den Energiezugang zu vergrößern“, ergänzte Razvan Sandru. Die GBE Benin habe deshalb Partnerschaften zwischen Mikrofinanzinstitutionen und solaren Anbietern angeschoben. „Die Mikrofinanzinstitute haben inzwischen erkannt, dass es einen Markt und Klienten gibt und dass diese ihre Kredite auch zurückzahlen“, sagte er. Diese Aufbau- und Vertrauensarbeit sei langwierig und entsprechend teuer. Und sie gehe anfangs nicht, ohne das Risiko der Partner zu minimieren. Die Grüne Bürgerenergie habe dies in Benin mit einem Results-based-financing (RBF) Programme umgesetzt, das die Vergabe von Mikrokrediten an ländliche Unternehmen für Solarsysteme incentiviert hat. Dies funktioniere.
Wie am besten Mini-Grids im großen Maßstab finanzieren ?
Die zweite Panel-Diskussion behandelte speziell das Thema Finanzierung von Mini Grids, um diese in großem Maßstab finanzieren zu könnten. Klar ist, dass Mini-Grids oft die kostengünstigste Möglichkeit sind, Gebiete, die das zentrale Stromnetz nicht erreicht, zu elektrifizieren. Dennoch sind die Verbraucherpreise für Strom aus dem Verbundnetz häufig niedriger, weil sie weltweit stark subventioniert werden. Der Frust bei Projektentwicklern ist daher groß. “Wir können nicht erwarten, dass die schwächste Bevölkerung der Welt das 345-fache dessen zahlt, was wir in den nördlichen Ländern zahlen,” schilderte Camille André-Bataille, die Gründerin und Geschäftsführerin der privaten Energieversorgungsunternehmern ANKA, eigene Erfahrungen. Hier benötige der Privatsektor Zuschüsse. „Die Finanzierung unserer Projekte ist der herausforderndste Aspekt unserer Arbeit. Leider drehen wir uns mit einigen Geldgebern und Finanziers im Kreis“.
Sie ist nicht die Einzige, die den unzureichenden Zugang zu Finanzmitteln kritisiert, weiß Michael Franz. Er leitet das europäische Programm von GET.invest, das unter dem Dach der GIZ angesiedelt ist. Das Programm mobilisiert Investitionen in Energieprojekte, in dem es zum Beispiel Projektentwickler dabei begleitet, die Anforderungen von Banken und internationalen Programmen erfüllen zu können. „Wir verfolgen derzeit 210 Finanzierungsinstrumente, allein für Energie in Subsahara-Afrika“, sagte er und fragte: „Wie sollen sich Projektentwickler und Unternehmen da zurechtfinden?“
Michael Franz betonte jedoch Fortschritte, auch wenn das Scaling-up-Tempo bei Mini-Grids und Energieprojekten noch zu langsam sei. „Wir wissen heute viel besser, wie man Kreditmärkte reguliert und welche Art von Finanzierungen benötigt werden als noch vor drei Jahren“, sagte er. Und es gibt neue Finanzierungsansätze, die Projekten einfacher und schneller Mittel zur Verfügung stellen wollen. Ruchi Soni leitet eine Results-based Financing (RBF)-Initiative von SEforALL. „Um die Finanzierung zu beschleunigen, subventionieren wir jeden Mini-Grid-Anschluss mit aktuell 592 US-Dollar in unseren afrikanischen Partnerländern“, sagte sie. Damit wolle SEforALL das Vertrauen sowohl von Investoren und Projektentwicklern als auch das von Geldgebern in diese stärken.
Dialog zwischen Projektentwicklern und Geldgebern notwendig
Mit 40 Millionen Startkapital kann das Programm allerdings nur begrenzt Projekte unterstützen. Das gilt auch für die 2021 von der KfW im Auftrag des BMZ gegründete Stiftung CEI Africa, die aktuell mit 60 Millionen Euro ausgestattet ist. Beide eint das Ziel, weitere Geldgeber mit ihren neuen Ansätzen zu überzeugen. „Mit der Stiftung können wir gleichzeitig eine Zuschussfinanzierung sowie eine kommerzielle Finanzierung gewähren“, sagte Babette Stein von Kamienski, die im Aufsichtsgremium von CEI Africa sitzt. Die Stiftung priorisiert von Frauen geführte Unternehmen und hat einen Dreiklang an Instrumenten entwickelt. Zuschüsse sollen den Start von Projekten vereinfachen. Erzielt es die prognostizierte Wirkung, kann CEI Africa die Mittel aufstocken. Sind die Investitionen nachhaltig, vermittelt die Stiftung Mittel aus der Crowd-Lending-Branche, wobei die KfW eine Garantie bereitstelle.
Die lebendige Diskussion auf dem Panel zeigte, dass es durchaus Reibung zwischen Projektentwicklern und Finanzierungsinstitutionen gibt. Gerade deshalb – da sind sich die Akteure einig – ist der Austausch wichtig, sofern beide Seiten auch zuhören. So hat SEforALL seit Beginn der Umsetzung des RBF für Mini-Grids mit der GIZ in Benin viel gelernt und den eigenen Finanzierungsansatz auf Basis von Konsultationen mit Projektentwicklern angepasst. „Ich hätte nicht erwartet, dass eine Finanzierungsfazilität dem Privatsektor so viel Gehör schenken würde“, lobte Camille André-Bataille.
Time to act
Am Ende der Veranstaltung dankte Bärbel Höhn allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für ihr Kommen und erklärte all jene, die bis zum Schluss geblieben sind zu Gewinnerinnen und Gewinnern: „Der Höhepunkt dieser Konferenz war unser letztes Panel, denn ich habe bereits vielen Finanzexperten und Panelisten zugehört, aber ich habe noch nie eine so engagierte Diskussionsrunde erlebt, wie wir es gerade hier hatten“, sagte die Energiebotschafterin des BMZ.
Die Diskussion offenbarte aber auch ein grundsätzliches Problem der Finanzierung. Bevor ein Markt für Erneuerbare auf der letzten Meile entstanden ist, müssten öffentliche Institutionen die Finanzierung anfangs übernehmen, resümierte Bärbel Höhn. „Deshalb muß Finanzierung bereitgestellt werden, damit wir diese Anfangsinvestitionen bezahlen können. Am Ende ist das die günstigste Lösung“, sagte sie. Klar ist, dass das Ausrollen erneuerbarer Technologien schneller und umfangreicher stattfinden muss, um eine gerechte Energiewende und SDG 7 zu erreichen.