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Interview
31. August 2021

Energie ist der Schlüssel für regionale Wertschöpfung

Seit ihrer Ankündigung durch Bundesminister Dr. Gerd Müller im Jahr 2017, hat die Initiative Grüne Bürgerenergie für Afrika zahlreiche Projekte in neun Fokusländern Subsahara-Afrikas, und darüber hinaus, angeschoben. Den beiden Energiebeauftragten des BMZ für Afrika, Bärbel Höhn und Josef Göppel, kommt hierbei eine besondere Rolle zuteil: Die Initiative profitiert von ihrer langjährigen politischen Erfahrung und Expertise für bürgernahe erneuerbare Energien. Im Interview sprechen sie über ihr ehrenamtliches Engagement, warum das ländliche Afrika in Sachen Energieversorgung nicht länger ein weißer Fleck bleiben darf, was die Initiative auszeichnet und was bislang erreicht worden ist.

Die Initiative Grüne Bürgerenergie für Afrika will eine dezentrale, bürgernahe Energieversorgung im ländlichen Raum Subsahara-Afrikas anschieben. Warum ist das so wichtig?

Bärbel Höhn: In vielen afrikanischen Dörfern müssen Menschen als Energieressourcen auf Kerzen und Feuerholz zurückgreifen, einigen steht vielleicht noch ein Dieselaggregat zur Verfügung. Ohne moderne Energie ist ihnen eine wirtschaftliche Entwicklung verwehrt.

Josef Göppel: Mangels Perspektive machen sich viele junge Menschen in die wachsenden Städte auf. Die Landflucht verstärkt die Probleme der Länder und das hat auch Auswirkungen auf uns. In Monnon, einem Dorf in Benin, sagten mir junge Männer, wenn unsere Rinder verhungern und wir keinen Strom bekommen, machen wir uns nach Europa auf.

Bärbel Höhn: Unser wirtschaftlicher Reichtum in Europa basiert auf unserer Energieversorgung. Mit moderner Energie könnten auch Afrikanerinnen und Afrikaner handwerkliche Betriebe und Unternehmen gründen, ihre Felder bewässern, Gemüse und Früchte trocknen, weiterverarbeiten und damit Arbeitsplätze schaffen. Energie ist der Schlüssel für eine regionale Wertschöpfung und höhere Einkommen. Wenn wir die Nachhaltigkeitsziele umsetzen wollen, dann ist das Ziel 7 (SDG 7 – bezahlbare und saubere Energie) das Schlüsselziel und eine Voraussetzung, um zwei Drittel der anderen SDGs besser erreichen zu können.

Josef Göppel: Noch aber haben über 600 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner südlich der Sahara keinen Zugang zu Strom. Gerade in ländlichen Regionen fehlt eine moderne Energieversorgung. Das bietet den afrikanischen Ländern jetzt die Möglichkeit, das fossile Zeitalter zu überspringen und sofort auf die Energie der Zukunft und damit auf erneuerbare Energien zu setzen. Diese Entwicklung müssen wir fördern.

Im Auftrag des BMZ setzen GIZ und KfW seit Ende 2018 Programme zur Erreichung der Ziele der Grünen Bürgerenergie, eine bürgernahe Energieversorgung in neun Ländern, um. Wo steht die Initiative derzeit?

Josef Göppel: In den vergangenen Jahren wurden bei der Grünen Bürgerenergie im Rahmen des Kleinprojektefonds über 100 Projektanträge eingereicht. 20 davon unterstützen wir aktiv mit einer finanziellen Förderung. Einen erfolgreichen Ansatz verfolgen wir zum Beispiel in Äthiopien, wo Kaffee getrocknet werden kann. Dazu muss man wissen, dass der Feuchtigkeitsgrad bei 14 Prozent liegen sollte. Dafür gibt es den höchsten Preis pro Kilo. Mit einer solaren Trocknungsanlage lässt sich das genau einstellen, nicht aber, wenn die Menschen ihren Kaffee wie üblich in der Sonne trocknen müssen.

Bärbel Höhn: Wichtig ist, dass wir viele, unterschiedliche Arten von Projekten und Ansätzen fördern, um dann schauen zu können, welche Technologien, Betreibermodelle und Ansätze funktionieren gut und welche haben sich nicht durchsetzen können. Ein Vorteil heute ist, dass PV-Systeme günstig und flexibel sind, sie also viele Anwendungen ermöglichen. Doch sie müssen auch nachhaltig betrieben werden können. Deshalb schauen wir, welche Modelle in welcher Region sinnvoll funktionieren und welche nicht.

Genossenschaften als Organisationsform blicken in Deutschland auf eine lange Tradition zurück. Wie ist das in Afrika?

Bärbel Höhn: Das ist sehr unterschiedlich. In vielen Regionen gibt es gemeinschaftliche Ansätze, in anderen nicht. Sinnvoll ist, Energieprojekte an vorhandene Strukturen anzudocken, an Kommunen, Genossenschaften, Kooperationen oder an lokalen Modellen. Dezentrale Energiesysteme benötigen die Teilhabe der Menschen vor Ort.

Josef Göppel: In einem unserer Wasserprojekte in Tansania am Fuß des Kilimandscharo funktioniert der genossenschaftliche Ansatz sehr gut, in anderen Gebieten des Landes sind Menschen gegenüber Genossenschaften skeptisch, auch weil sie ihnen politisch aufgedrückt wurden.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Projekte erfolgreich durchstarten können?

Josef Göppel: Es muss Impulse für Veränderungen geben. Diese kann eine Einzelperson initiieren, indem sie zum Beispiel eine solare Wasserpumpe installiert und die Vorteile so in der Nachbarschaft sichtbar macht. Oder die Menschen stehen vor einer existenziellen Herausforderung, weil zum Beispiel knapper werdendes Feuerholz zu Konflikten führt.

Bärbel Höhn: Gleichzeitig müssen die Regierungen für die nötigen Strukturen sorgen – für die Ausbildung von Solartechnikerinnen und Solartechnikern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern, die Menschen beraten, Anlagen installieren und warten können. Außerdem braucht es Standards und Qualitätskontrollen, die dafür sorgen, dass nur PV-Module und solare Anlagen in guter Qualität vermarktet werden. Auf afrikanischen Märkten finden Sie Solarmodule mit einem Garantie-Kleber für 20 Jahre und der Aussage, sie seien in Deutschland produziert worden, was mitnichten der Fall ist.

Was sind die Voraussetzungen, damit sich erneuerbare Energien in Afrika durchsetzen können?

Bärbel Höhn: Der politische Wille ist Voraussetzung. Die Regierungen müssen für die nötigen Strukturen wie Stromtarife, Genehmigungen und Betrieb von dezentralen Anlagen sorgen. Ein Teil unserer Grünen Bürgerenergie ist die Ausbildung von Solartechnikerinnen und Solartechnikern sowie Handwerkerinnen und Handwerkern, die Menschen beraten und die Förderung von lokalen Unternehmen, die Anlagen installieren und warten können.

Josef Göppel: Die wichtigste Aufgabe ist, genügend Nachwuchskräfte in erneuerbaren Energien auszubilden. Sie benötigen, wie Bärbel Höhn das angesprochen hat, gute Rahmenbedingungen, damit sie Zugriff auf die neuen Technologien bekommen und in ihrer Heimat in die Erzeugung und Vermarktung von Energie investieren können. Nicht wir, sondern sie bilden die Grundlage für eine nachhaltige Versorgung. Wir können sie dabei unterstützen.

Bärbel Höhn: Außerdem braucht es Standards und Qualitätskontrollen, die dafür sorgen, dass nur PV-Module und solare Anlagen in guter Qualität vermarktet werden. Auf afrikanischen Märkten finden Sie Solarmodule mit einem Garantie-Kleber für 20 Jahre und der Aussage, sie seien in Deutschland produziert worden, was mitnichten der Fall ist.

Gibt es dafür ein gutes Beispiel?

Josef Göppel: Ein Meilenstein der Grünen Bürgerenergie ist für mich zum Beispiel die Handwerkerschule Hai im Norden von Tansania. An die landwirtschaftliche Berufsschule wurde der Berufszweig Solarenergie angegliedert. Das könnte ein Modell auch für andere sein, denn jeder Landkreis hat eine ähnliche Berufsschule.

Bärbel Höhn: Im Senegal stellen wir 600 Frauen Solarstrom zur Verfügung, damit sie ihr Getreide mahlen und Mehrwert schaffen können, in Uganda bringt die solarbetriebene Bewässerung des Schulungsgartens mehr Ertrag und Erkenntnis. Uns geht es darum, mit erneuerbaren Energien Arbeitsplätze zu schaffen, die Einkommen der Menschen zu steigern und hierbei – wenn möglich – Frauen zu stärken. Denn wir benötigen vor allen Dingen die Verlässlichkeit von Frauen, wenn wir eine dezentrale Energieversorgung in Afrika erfolgreich umsetzen wollen.

Gibt es weitere Meilensteine, die das Projekt inzwischen erreicht hat?

Bärbel Höhn: In der ersten Phase haben wir zahlreiche Projekte mit unterschiedlichsten Ansätzen auf den Weg gebracht. Nach zwei, drei Jahren können wir schauen, welche Ideen sich durchsetzen und wo wir nachsteuern können. Um die guten Pilotideen jedoch in die Breite auszurollen, fehlen Finanzierungsinstrumente. Darüber hinaus stehen wir nachmehrjährigen Verhandlungen jetzt kurz vor dem Ziel, eine Stiftung auf den Weg zu bringen, mit der die deutsche KfW Entwicklungsbank kleine Projekte im Bereich Mini-Grids und ländliche Elektrifizierung finanziell fördern kann.

Josef Göppel: Dieser Erfolg von Bärbel Höhn zeigt, wie wichtig es ist, unser Thema in die Politik zu tragen. Kleine Bürgerprojekte im Energiebereich haben im Zweifel keine politische Lobby. Investoren und Unternehmen sind vornehmlich an Großprojekten interessiert. Deshalb muss die GIZ, aber auch die KfW, mehr dezentrale Vorhaben unterstützen bzw. finanzieren.

Sie beide wirken als Energiebeauftragte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für Afrika und unterstützen die Grüne Bürgerenergie. Wie ist das Projekt zustande gekommen?

Josef Göppel: Seit 2006 bereise ich regelmäßig Afrika. Auf meiner ersten Station in Kenia habe ich die Not der Menschen im ländlichen Raum und die Energiearmut erlebt. Ich habe in der CSU-Fraktion regelmäßig berichtet und als Gerd Müller als Bundesminister des BMZ einen Schwerpunkt auf das ländliche Afrika setzen wollte, habe ich ihm die Idee einer Verknüpfung von Energiegenossenschaften zwischen Afrika und Deutschland vorgeschlagen. Daraus ist dann die Grüne Bürgerenergie entstanden.

Und was ist die Rolle der Energiebeauftragten?

Bärbel Höhn: Josef Göppel und ich engagieren uns seit vielen Jahren für eine dezentrale Versorgung mit erneuerbaren Energien und wollen diese in der Bevölkerung stärken. Deshalb setzen wir uns auch für ihre Beteiligung ein, zum Beispiel in Form von Energiegenossenschaften. Hier haben sich viele erfolgreiche Initiativen in Deutschland gegründet, zu denen inzwischen auch Kommunen gehören, die energieautark sind.

Josef Göppel: Wir haben inzwischen mehr als 900 Energiegenossenschaften in der Bundesrepublik. Die hatten auch aufgrund der Bundespolitik in den vergangenen Jahren einen schweren Stand. Diese mangelnde Unterstützung habe ich mehrfach kritisiert, denn mit Bürgergenossenschaften fördern wir Wertschöpfung vor Ort. Das ist aus meiner Sicht ein urkonservatives Anliegen und auch für afrikanische Kommunen und Dorfgemeinschaften interessant. Deshalb engagiere ich mich nicht nur in Deutschland für Bürgerenergie, sondern auch in Afrika.

Inwieweit können die in Deutschland gemacht Erfahrungen in Sachen Bürgerenergie afrikanische Initiativen beflügeln – und umgekehrt? Was können afrikanische Projekte umsetzen, und wo ist dies nicht möglich?

Bärbel Höhn: Wir können unsere Erfolgsmodelle nicht einfach auf Afrika übertragen, aber die Tatsache, dass die Energiewende in Deutschland nur mit der lokalen Bevölkerung zusammen gelingt, dass eine parteiübergreifende Zusammenarbeit für die Planungs- und Investitionssicherheit und den langfristigen Erfolg enorm wichtig ist und dass mit der Energiewende wirtschaftlicher Erfolg für die Akteure verbunden ist, das können wir vermitteln.

Herr Göppel, Sie waren viele Jahre Bundestagsabgeordneter für die CSU, und Sie Frau Höhn waren Ministerin für Umwelt und Landwirtschaft in Nordrhein-Westfallen. Wie ist es zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit gekommen, dass Sie sich nun beide für die Grüne Bürgerenergie engagieren?

Bärbel Höhn: So ungewöhnlich ist das nicht. Wir haben beide im Rahmen der Erneuerbaren Energien-Politik parteiübergreifend zusammengearbeitet. Es gab auch eine fachliche Nähe zu Minister Müller. Ich war Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, Minister Müller damals noch Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium.

Josef Göppel: Und wir haben im Ausschuss für Umwelt des Bundestages thematisch eng zusammengearbeitet. Über die Jahre ist so gutes Vertrauen entstanden.

Wenn Sie nach vorne blicken, wo steht die Grüne Bürgerenergie in fünf Jahren?

Bärbel Höhn: In den nächsten zwei Jahren schauen wir, in welchen Ländern sich z.B. die Errichtung von dezentralen Stromnetzen in den Dörfern bewährt hat. Entscheidend ist, dass die Betreibermodelle nachhaltig funktionieren. Vor dem Hintergrund dieses Wissens können dann 40, 100 oder 1000 Dörfer in geeigneten Regionen mit Strom und produktiver Nutzung versorgt werden.

Josef Göppel: Unser Ziel ist es, den Initialfunken zu einer Vielzahl von weiteren Projekten zu setzen. Wir brauchen eine kritische Masse, damit die Bürgerinnen und Bürger in Afrika – wie in Deutschland auch – an die Idee einer Energieversorgung aus eigener Hand glauben und die wirtschaftlichen Chancen Dank gelungener Beispiele erkennen. Politisch müssen wir diese Entwicklung unterstützen, bis sie sich ökonomisch selbst trägt. Da spielt die GIZ eine wichtige Rolle, weil sie Dezentralität und eine Entwicklung seitens der afrikanischen Bürgerinnen und Bürger befördern kann.

Bärbel Höhn: Mit dem dann zur Verfügung stehenden Finanzinstrumentarium über die KfW können wir die Entwicklung dieser kritischen Masse voranzutreiben. Aus meiner Sicht sollten GIZ und KfW noch sehr viel enger zusammenarbeiten. Ziel muss es sein, dass die Afrikanerinnen und Afrikaner den Vorteil des Stromzugangs erkennen, ihre Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen, es können und auch wollen.